Mehr als nur ein Site-Umzug – eine strategische Content-Migration
Wenn wir über Website-Migration sprechen, stellen wir uns darunter meist einfach das „Verschieben” einer Website von einem System oder einer Plattform auf ein anderes vor – vielleicht mit einer Änderung der Domain, einer Aktualisierung des CMS oder einer Umstellung auf eine neue Serverumgebung. Meiner Erfahrung nach kann eine Migration jedoch weit mehr sein als eine technische Verlagerung. Manchmal handelt es sich um eine strategische Entscheidung, die von einer Kombination aus geschäftlichen Anforderungen, technischen Zielen und Wachstumschancen geprägt ist.
In diesem Fall war genau das passiert – und es wurde schnell zu einer komplexen Situation. Der Kunde, ein bekannter Branchenführer (nennen wir ihn Unternehmen A), hat zwei wichtige Produkte von Unternehmen B gekauft. Unternehmen B gehört jedoch zu einer größeren Muttergesellschaft, Unternehmen C. Diese beiden Produkte waren nicht irgendwelche Angebote, sondern gehörten zu den wichtigsten Traffic-Treibern für die Websites von Unternehmen B und Unternehmen C.
Aus folgenden Gründen wird die Situation immer komplexer:
- Es handelt sich um eine Teil-Migration.
- Da die beiden Produkte einen großen Teil des Traffics ausmachen, sind Traffic-Verluste unvermeidbar. Es gibt jedoch Maßnahmen, mit denen sich diese Verluste minimieren lassen.
- Unternehmen A verfügt bereits über genau diese beiden Produkte, allerdings mit ganz anderen Spezifikationen (und natürlich ToV). Daher müssen diese Produkte zusammengeführt und auf der Website von Unternehmen A neu eingeführt werden.
- Das bedeutet, dass die Produkte von Unternehmen B integriert und unter dem Namen von Unternehmen A neu vermarktet werden.
- Es werden nur zwei Produkte mit großer Wirkung migriert. Diese Produkte gehören zu den wichtigsten Traffic-Treibern für beide Marken, sodass jede Unterbrechung ein erhebliches Risiko darstellt.
Fühlen Sie sich etwas überfordert? Das ist verständlich – dieses Szenario ist recht komplex. Um die Dinge zu verdeutlichen, lassen Sie uns einen Schritt zurücktreten und uns ansehen, wer Unternehmen A und Unternehmen B sind. Wenn wir ihre Hintergründe und Unterschiede verstehen, erhalten wir ein klareres Bild von den Nuancen, die dieser Migrationsfall mit sich bringt.
Die Bühne bereiten: Die Akteure verstehen und sich selbst positionieren
Da wir Unternehmen B strategisch beraten, sollten wir versuchen, uns in dessen Lage zu versetzen. Zunächst einmal ist es wichtig, dessen Positionierung zu verstehen. Auch wenn wir die Namen der Unternehmen vertraulich behandeln müssen, handelt es sich bei beiden um führende Namen in ihrer jeweiligen Branche – mit jeweils sehr unterschiedlichen Ansätzen für ihre digitalen Produkte. Aus Gründen der Vertraulichkeit bezeichnen wir die Unternehmen als Unternehmen A und Unternehmen B. Beide sind anerkannte Marktführer in ihrem Bereich, verfolgen jedoch sehr unterschiedliche Ansätze in Bezug auf ihre Produktportfolios und das Kundenerlebnis.
Unternehmen A
Unternehmen A organisiert sein Produktangebot auf klassische, kategorie-orientierte Weise. Der Tonfall des Unternehmens vermittelt: „Wir haben ein großartiges Produkt, hier ist unser Angebot“. Die Website ist klar strukturiert, nach genau definierten Produkttypen gegliedert und konzentriert sich darauf, umfassende Informationen und einen einfachen Vergleich anzubieten. Dieser Ansatz betont Transparenz und macht es den Nutzern leicht, die Optionen zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Unternehmen B
Unternehmen B hingegen stellt Personalisierung und Flexibilität in den Mittelpunkt seiner digitalen Strategie. Das Produkt ist so konzipiert, dass es sich an die individuellen Bedürfnisse der Kunden anpassen lässt. Die User Journey ist auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet, mit Inhalten und CTAs, die hervorheben, wie Kunden von der Kombination verschiedener Lösungen profitieren können. Dies spiegelt sich deutlich in der Produktvielfalt und im Tonfall wider, der lautet: „Wir gehen auf Ihre Bedürfnisse ein und passen unsere Produkte entsprechend an.“ Dieser Ansatz hat zu einer hohen Nutzerbindung und einer starken Markentreue geführt.
Im Nachhinein betrachtet sind es nicht nur die unterschiedlichen Marken-Philosophien, die die Herausforderung ausmachen. Es ist auch der Unterschied in der User Experience. Die nächste Frage ist dann, wie wir zunächst so unterschiedliche Produkte konsolidieren und anschließend den Nutzern/Kunden wieder näherbringen können.
Unternehmen C
Im Wesentlichen war dies die Hauptgruppe, die Unternehmen B gehörte und noch immer die übrigen Produktvarianten besitzt, die nicht an Unternehmen A verkauft wurden.
Warum diese Migration besonders nuanciert ist
Diese Migration ist weit entfernt von einem normalen Website-Umzug. Es handelt sich vielmehr um eine Teil-Migration, die eine ausgewählte Gruppe hochwertiger Produkte umfasst, die sowohl für Unternehmen A als auch für Unternehmen B wichtige Traffic-Quellen darstellen. Das bedeutet, dass diese Migration im Gegensatz zu einer herkömmlichen Migration, bei der die Anforderungen hauptsächlich aus technischer Sicht (einschließlich der SEO-Maßnahmen) festgelegt werden, auch eine Umfirmierung der beiden Produkte von Unternehmen B (das Teil von Unternehmen C war) in Unternehmen A umfasst. Das bedeutet, dass Sie diese beiden Produkte/Dienstleistungen auch unter dem Namen von Unternehmen A zusammenführen müssen.
Bewertung der Anforderungen für eine gleichzeitige Migration und Umfirmierung
Bevor ich technische Änderungen vornahm, begann ich mit einer eingehenden Analyse der bestehenden digitalen Performance beider Marken:
- Identifizierung der wertvollsten Seiten: Ich habe ermittelt, welche Produktseiten auf der Website von Unternehmen B den höchsten Anteil am Traffic hatten und für die wichtigsten Nicht-Marken- und Marken-Keywords gerankt waren.
- Überschneidungen und Lücken bei Keywords verstehen: Ich habe analysiert, wo Unternehmen A und Unternehmen B bereits um ähnliche Keywords konkurrieren und wo es einzigartige Möglichkeiten gab, das Ranking für beide Marken zu konsolidieren und zu stärken.
- Bewertung des User Intent und der Customer Journey: Der Fokus von Unternehmen B auf Bundles und Kundenbedürfnisse bedeutete, dass seine Landing-Pages eine größere Bandbreite an Suchanfragen abdecken konnten, während die Struktur von Unternehmen A Klarheit und Vergleichbarkeit begünstigte. Sie sind unkompliziert: „Wir haben großartige Produkte für Sie, hier ist unser Angebot.“ Dies beeinflusste meinen Ansatz bei der Ausarbeitung der Strategie für die Content-Integration.
- Zusammenführen oder differenzieren: Wir mussten außerdem überlegen, ob es besser ist, die Produkte vollständig zusammenzuführen oder eine Produktdifferenzierung vorzunehmen, um die Kunden von Unternehmen B besser zu binden. Dies ermöglicht auch einen besseren Übergang für die fusionierenden und wechselnden Kunden von den Websites der Unternehmen B und C zu denen von Unternehmen A.
Angesichts der vielen Unsicherheiten wandte sich Unternehmen B nicht mit der Bitte um eine Checkliste an uns, sondern um einen echten strategischen Workshop, um Optionen aufzuzeigen, Risiken zu verstehen und einen umsetzbaren Migrationsplan zu entwickeln. Das Unternehmen brauchte Hilfe, eine Übersicht über Optionen und Möglichkeiten bei gleichzeitiger Minimierung des Risikos zu erstellen. Das ist also unsere Aufgabe für heute. Ich habe den Prozess so strukturiert, dass bewährte SEO-Verfahren mit den geschäftlichen Realitäten in Einklang gebracht werden.
Schritt 1: Die Grundlagen schaffen – Analyse und Entdeckung
Wir begannen mit einem Treffen mit den wichtigsten Stakeholdern, um die Geschäftsziele, den Zeitplan und alle unverhandelbaren technischen oder markenbezogenen Einschränkungen zu klären. Da Unternehmen B sich nicht sicher war, welchen Weg es einschlagen sollte, war unsere erste Aufgabe, anhand von Daten Klarheit zu schaffen.
- Traffic- und Wertkartierung:
Wir haben Analytics-Daten beider Marken ausgewertet und dabei Traffic-Quellen, die leistungsstärksten Seiten und Keyword-Rankings untersucht. So konnten wir ermitteln, welche Seiten und Produktbereiche für die Migration unbedingt erhalten bleiben mussten und welche konsolidiert oder entfernt werden konnten.
- Keyword- und SERP-Landschaftsanalyse:
Mithilfe von Tools wie SEMrush und Similarweb verglichen wir die Performance beider Marken bei hochwertigen Suchbegriffen. So konnten wir feststellen, wo sich Keywords überschnitten, wo es zu Kannibalisierungseffekten kam und wo Unternehmen B einen Wettbewerbsvorteil hatte – Informationen, die für die Festlegung der SEO-Prioritäten von entscheidender Bedeutung waren.
- Produktzuordnung:
Die Produkte beider Unternehmen wurden aufgelistet und die Alleinstellungsmerkmale hervorgehoben. Die Stakeholder beschlossen, die Produkte differenziert zu belassen. Der Schlüssel lag dabei darin, die Produkte auf unterschiedliche Bereiche auszurichten: online und offline. Der SEO-Fokus liegt darauf, unterschiedliche Arten von Autorität für die Produkte zu schaffen und Kannibalisierung zu vermeiden.
Schritt 2: Gemeinsame Untersuchung von Migrationsszenarien
Im Workshop haben wir alle möglichen Migrationswege offen diskutiert und uns dabei sowohl auf SEO als auch auf die Auswirkungen auf das Geschäft konzentriert.
Szenario A: Die ideale SEO-Lösung
Wenn die Unternehmensgruppe 301-Weiterleitungen von den alten Seiten von Unternehmen B zu den neuen Produktseiten auf der Website von Unternehmen A zulassen würde, wäre dies das sauberste und SEO-freundlichste Migrationsszenario. Im Workshop haben wir beide Teams durch die einzelnen Schritte und deren Vorteile geführt:
- Priorisierung hochwertiger Seiten:
Zunächst haben wir die wichtigsten Seiten identifiziert – diejenigen mit den höchsten Rankings, den stärksten Backlink-Profilen und dem größten Traffic-Wert. Diese wurden zu den ersten Zielen für die Migration und Weiterleitung.
- Implementierung von 301-Weiterleitungen:
Für jede priorisierte Seite planten wir eine direkte 301-Weiterleitung von der alten URL von Unternehmen B zur entsprechenden Seite von Unternehmen A. Dadurch wird Suchmaschinen mitgeteilt, dass der Content dauerhaft verschoben wurde, sodass Autorität, Rankings und Referral-Traffic nahtlos übertragen werden.
- Konsolidierung der Link-Equity:
Neben den technischen Weiterleitungen haben wir einen Prozess skizziert, um wichtige externe Partner und Websites, die auf die alten Seiten verlinken, zu kontaktieren und sie zu bitten, ihre Links auf die neuen URLs von Unternehmen A zu aktualisieren. Dies konsolidiert die Autorität und beschleunigt die positiven Auswirkungen der Migration. Dies gilt sowohl für interne als auch für externe Links.
- User Experience auf der Website:
Um bestehende Nutzer nicht zu verwirren, empfahlen wir Banner und erklärende Meldungen auf den alten Seiten und an wichtigen Kontaktpunkten, um Besucher reibungslos zu den neuen Standorten zu leiten und die Rebranding-Botschaft zu verstärken. Hierfür sind Branding-Botschaften eine notwendige Unterstützung.
- Überwachung und Anpassung:
Nach der Implementierung betonten wir die Bedeutung der Überwachung mit Google Analytics und Search Console – zur Verfolgung des Traffics, der Indexierung und etwaiger Einbrüche im Ranking sowie zur schnellen Behebung von Problemen wie 404-Fehlern oder fehlgeleitetem Traffic.
Dieses Szenario bietet die beste Möglichkeit, bestehende Rankings und Traffic zu erhalten, die Akzeptanz durch die Nutzer zu beschleunigen und die Autorität von Unternehmen A sowohl in den Augen der Kunden als auch der Suchmaschinen zu etablieren. Was passiert jedoch, wenn eine Weiterleitung nicht zulässig ist? Wir haben eine „Collapsing Checklist“ erstellt, d. h., wenn ein Punkt aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten gestrichen werden muss, werden andere Punkte in der Liste unterstrichen. Wenn also eine Weiterleitung nicht zulässig ist, wäre es umso wichtiger, die wertvollsten Seiten schrittweise zu migrieren und die Links beizubehalten.
Schritt 3: Geschäftsorientierte Content-Strategie und Planung des Relaunchs
Wir haben beide Unternehmen dazu ermutigt, dies als Chance für positive Veränderungen zu betrachten – und nicht nur als Risikominimierung.
- Produktneupositionierung und Differenzierung:
Da Unternehmen A und B unterschiedliche Ansätze verfolgten, haben wir einen Workshop durchgeführt, in dem wir erarbeitet haben, wie sich die Wertversprechen beider Unternehmen differenzieren und hervorheben lassen. Das Ziel war nicht nur, bestehende Nutzer zu binden, sondern auch die Attraktivität zu steigern und die Rebranding-Story zu unterstützen.
- Strategischer Fokus auf „alte” und „neue” Produkte:
Anstatt die Seiten stillschweigend zu migrieren, rieten wir Unternehmen A, die „neuen” Produkte über ihren Blog und ihr Ressource Center neu zu lancieren. Durch die Veröffentlichung von Artikeln, FAQs und Leitfäden, in denen die neu gestalteten Angebote vorgestellt wurden, konnte Unternehmen A thematische Autorität aufbauen, Long-Tail-Suchanfragen erfassen und sowohl Nutzer als auch Suchmaschinen zu den neuen Inhalten führen. Diese Beiträge konnten auch als Landing-Pages für Kampagnen dienen, in Newsletter integriert und über soziale und bezahlte Kanäle verbreitet werden.
Kurz gesagt: Während „neue“ Produkte sich mehr auf die Hervorhebung der Produktwerte und deren strategische Platzierung auf der Website von Unternehmen A konzentrieren – unter Nutzung sozialer Medien und des Blogs von Unternehmen A für den Relaunch –, liegt der Schwerpunkt bei den „alten“ Produkten eher auf der Konsolidierung der Inhalte auf den Produktseiten, der Vermeidung von Keyword-Kannibalisierung und der Sicherstellung, dass alle Produkte gleichwertig kommuniziert werden.
- Unterstützende Inhalte für den Übergang der Nutzer:
Wir empfahlen Banner, Ankündigungen im Blog und spezielle FAQ-Seiten, um die Nutzer über die Änderungen zu informieren, ihnen zu erklären, wo sie Informationen finden und mögliche Verwirrung auszuräumen.
Schritt 4: Kontinuierliche Überwachung und Iteration
Keine Migration ist vom ersten Tag an perfekt, daher betonten wir die Bedeutung einer kontinuierlichen Analyse:
- Tägliche und wöchentliche Überprüfungen: Überwachung des Traffics und der Rankings sowohl auf den alten als auch auf den neuen Seiten mithilfe der Google Search Console und Google Analytics.
- Nutzer-Feedback-Schleifen: Sammeln von Feedback über Umfragen auf der Website oder über Kundendienstkanäle, um Verwirrung oder Schwachstellen schnell zu erkennen.
- Anpassung: Anpassung der internen Verlinkungen, der Seitenstruktur oder des Contents nach Bedarf, basierend auf den Daten und dem Feedback.
Unternehmen B war mit der von mir ausgearbeiteten Strategie sehr zufrieden und ist zuversichtlich, dass es mit diesen Maßnahmen und den vorhandenen Ressourcen den Traffic-Verlust minimieren kann. Wir unterstützen das Unternehmen weiterhin bei der Produktzuordnung, und der gesamte Prozess scheint reibungslos zu verlaufen. Unternehmen B ist sich bewusst, dass Zusammenarbeit ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist, und hat dafür gesorgt, dass alle wichtigen Entscheidungen zu einem Fall unter Einbeziehung aller notwendigen Stakeholder getroffen werden.
Wichtigste Erkenntnisse
Indem wir die Migration als kollaborativen, datengesteuerten Prozess mit Szenarioplanung, Business-Case-Denken und einem Fokus auf Kommunikation gestalteten, konnten wir beiden Unternehmen einen klaren Weg in die Zukunft aufzeigen, unabhängig von technischen oder rechtlichen Einschränkungen. Das Endergebnis war ein Migrationsplan, der Risiken minimierte, Chancen maximierte und Unternehmen A für nachhaltiges Wachstum positionierte.