Management Summary

  • Von Systemen der Aufzeichnung zu Systemen der Intelligenz: Früher wurde der MarTech-Stack in Systems of Record (SoR), Fokus auf Datenhaltung, z.B. CRM für Kundendaten und Systems of Engagement (SoE), Fokus auf Kundeninteraktion, z.B. E-Mail-Marketing unterteilt. Im KI Zeitalter reicht dieses Modell nicht mehr und wurde daher schon mit dem Aufstreben von Machine Learning um System of Intelligence (SoI) erweitert. In der Regel bauen diese Layer aufeinander auf. Nicht zuletzt für Generative KI und Agentic KI brauchen Unternehmen ein belastbares Datenfundament als „System des Kontexts“ für konsistente, korrekte Daten über alle Kanäle und Produkte hinweg.
  • Kontext ist König im KI-Zeitalter: Generative KI ermöglicht hochgradig kontextualisierte, personalisierte Nutzererlebnisse in Echtzeit. Sowohl für Mitarbeiter als auch für Endkunden. Statt statischer Kampagnen („One-Fits-All“) liefern Systeme des Kontexts nun dynamische Inhalte, die sich an den individuellen Kontext jedes Kunden oder Mitarbeiters anpassen.
  • Vom Monolog zum Dialog mit dem Kunden: Anstatt vordefinierte Inhalte auszuspielen, treten Marken nunmehr in einen echten Dialog mit Kunden über KI-Assistenten. Diese Concierge-KI-Agenten hören aktiv zu, nutzen alle verfügbaren Kunden- und Unternehmensdaten und bieten genau die Informationen oder Services, die im Moment gebraucht werden. Marketing wird damit relevant im Moment - ein Wechsel von der Marketing-Annahme des Kundenbedarfs hin zur tatsächlichen Kundensituation in Echtzeit.
  • Strategische Implikationen für Führungskräfte: CDOs, CTOs, Führungskräfte müssen, nicht erst jetzt, Daten-Silos aufbrechen und eine einheitliche Datenbasis schaffen. CMOs und Produktverantwortliche müssen KI-getriebene Personalisierung strategisch einbinden, um Kundenerwartungen gerecht zu werden. Alle Führungskräfte sind gefordert, organisatorische Voraussetzungen (z.B. bereichsübergreifende KI-Governance, Data Governance) zu schaffen, damit ein “System des Kontexts” im Unternehmen nachhaltig Wert stiftet.
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Einleitung: MarTech im Wandel durch Generative AI

Die Marketing-Technologie entwickelt sich in rasantem Tempo weiter. Generative KI (GenAI). also KI-Modelle, die selbstständig Texte, Bilder oder andere Inhalte erzeugen können, verändert grundlegend, wie Unternehmen Content produzieren und mit Kunden interagieren und Marketing betreiben. Jahrzehntelang war es üblich, MarTech-Plattformen in zwei Schubladen zu stecken: „Systeme der Aufzeichnung“ (Systems of Record) wie CRM- oder Kundendatenplattformen, die als Hauptquelle für Daten dienten, und „Systeme der Interaktion“ (Systems of Engagement) wie E-Mail-Automation, Web-CMS oder Social Media Tools, die Kundenkontakte ermöglichten. Dieses Denkmodell - Daten auf der einen Seite, Interaktion auf der anderen - hat lange funktioniert, wurde aber zunehmend unscharf. Schon als Recommendation Engines, Attributionsmodelle und Forecasting auf Basis von Machine Learning Techniken mehr und mehr von Unternehmen im Marketing eingesetzt worden sind, wurde vom “System der Intelligenz” (System of Intelligence) gesprochen. 

Natürlich ist das Schaubild nur eine Abstraktion und oft fließen diese Systeme ineinander z.B. bieten viele CRM- und CDP-Systeme etwa auch Marketing-Automation-Funktionen, sodass Datenspeicherung und Interaktion ineinander fließen.

Heute, im Zeitalter von ChatGPT, personalisierten Empfehlungssystemen und KI-Assistenten, stößt diese alte Aufteilung an Grenzen. Marketing und Kundenerlebnisse werden immer stärker durch KI in Echtzeit geprägt. Scott Brinker, eine prominente Person im MarTech-Bereich, schlägt daher ein neues Modell für den MarTech-Stack vor: „Systeme des Kontexts“ (System of Context) und „Systeme der Wahrheit“ (System of Truth). Diese neuen Kategorien helfen zu verstehen, wie Daten und KI-gestützte Kontexte künftig zusammenspielen, um Kunden zur richtigen Zeit im richtigen Kontext anzusprechen.

“Unternehmen die ein solches Kontextsystem aufbauen,werden im Agentic AI Zeitalter wettbewerbsfähig bleiben”

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Systeme der Wahrheit nach Scott Brinker: Ein stabiles Fundament aus Daten

Damit die KI personalisierte und kontext relevante Inhalte liefern kann, braucht sie eine verlässliche Datengrundlage. Hier kommen die „Systeme der Wahrheit“ ins Spiel, also die zentralen Datenplattformen, auf denen alle wichtigen Unternehmens- und Kundendaten konsolidiert und validiert werden. In klassischen MarTech-Stacks übernahmen Systems of Record wie CRM (Customer Relationship Management), ERP oder PIM die doppelte Rolle, Daten zu speichern und deren Qualität zu gewährleisten. Mit dem Aufstieg von Cloud-Data-Warehouses und Data Lakes trennen moderne Enterprise-Architekturen jedoch oft die reine Datenspeicherung von der Daten-Governance. Klassisches Beispiel ist ein Data Lake mit vielen Rohdaten, dann aber eine separate Marketing Data Platform oder Reporting Datenbank mit aufbereiteten Daten für Marketing- oder Reporting Use Cases.

Zwar lässt sich mit Cloud Data Lakes (bzw. Lakehouse) prinzipiell eine „Single Source of Truth“ realisieren, doch in der Praxis fließen so viele heterogene Daten ein (z.B. abweichende Formate oder Definitionen), dass Inkonsistenzen entstehen können. Daher braucht es weiterhin spezialisierte Software oberhalb des Data Lakes, die definiert, welche Daten als gültig und korrekt gelten und wie sie einheitlich genutzt werden.

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Bewährte MarTech-Systeme wie CRM, MDM (Master Data Management), PIM (Product Information Management), DAM (Digital Asset Management), CDP (Customer Data PLatform) oder eigene Marketing Data Warehouses für eigene Data Products behalten somit ihre Daseinsberechtigung - allerdings weniger als isolierte Datensilos, sondern als „Wahrheitsinstanzen“ für bestimmte Datenbereiche. Man kann diese als Schiedsrichter sehen, der entscheidet z.B. was einen gültigen Kundenstammdatensatz ausmacht, inklusive Definitionen, Validierungsregeln und Workflows. Auch wenn die eigentlichen Daten physisch im Data Lake gespeichert sind, sorgen CRM & Co. dafür, dass jeder im Unternehmen auf vertrauenswürdige, konsistente Daten zugreifen kann.

Entscheidend ist: Ein einzelnes, monolithisches „System of Record“ als alleinige Quelle der Wahrheit für sämtliche Unternehmensdaten ist unrealistisch, dafür sind Geschäftsbereiche und Datenanforderungen zu unterschiedlich. Stattdessen sieht man heute in der Praxis viele „Systeme der Wahrheit“, vereint durch eine gemeinsame Datenschicht. Auf dieser Basis können Unternehmen Daten besser teilen und gleichzeitig domain-spezifisch steuern.

Beispiel: Eine moderne Composable CDP (Customer Data Platform) greift direkt auf das Cloud Data Warehouse zu, organisiert aber die Kundendaten für bestimmte Marketing-Kontexte - etwa indem sie Kundenlisten mit Zielgruppensegmenten aus der Werbung kombiniert. Solche CDPs helfen, aus dem allgemeinen Datenpool kampagnenspezifische Zielgruppen und Insights zu generieren.

Kurzum: Systeme der Wahrheit bilden das stabile Datenfundament im KI-Zeitalter. Ohne saubere, einheitliche Daten nützen die besten KI-Algorithmen wenig oder bringen keinen Wettbewerbsvorteil - im Gegenteil, falsche oder fragmentierte Daten führen zu irreführenden Ergebnissen. CDOs und CTOs sollten daher weiterhin in Datenintegrations-Plattformen, Stammdatenmanagement und Data Governance investieren. Diese Schicht ist strategisch essentiell: Sie stellt sicher, dass alle nachgelagerten KI- und Marketing-Anwendungen auf verlässliche Informationen zugreifen, also auf die „Truth“ im Stack.

Systeme des Kontexts nach Scott Brinker: Dynamische Erlebnisse durch KI-getriebene Personalisierung

Auf dem soliden Datenfundament der “System of Truth” entfaltet sich das, was für Ihre Kunden sichtbar und erlebbar wird: die “Systeme des Kontexts”. Darunter versteht man alle Technologien, die Kundenerlebnisse situativ anpassen und ausliefern - von personalisierten Websites über KI-Chatbots bis zu automatisierten Kampagnen, die sich in Echtzeit am Verhalten des Nutzers orientieren. Der entscheidende Wandel hier ist, wie sehr KI diese Erlebnisse individualisieren und dynamisch erzeugen können und dürfen.

Traditionell boten Systems of Engagement wie Marketing Automation oder Web-Content-Management nur einen statisch vordefinierten Kontext: Marketer und Produktteams entwarfen Journeys, Webseiten oder Emails auf Basis von Annahmen und Hypothesen, was Kunden wollen oder brauchen. Die Kontextualisierung war begrenzt, letztlich erhielt jeder Kunde eine Variante aus einem vorher festgelegten Set an Inhalten. Diese Interaktionen glichen oft eher einem Monolog der Brand als einem echten Dialog mit dem Kunden.

Mit generativer KI ändert sich das dramatisch. Jetzt können zahlreiche KI-Agenten und Micro-Anwendungen erschaffen werden, die jedem Kunden oder Mitarbeiter einen maßgeschneiderten Kontext bieten und aktiv statt passiv agieren können. Beispiel: Ein KI-basierter Chatbot im E-Commerce kann sich für jeden Webseitenbesucher individuell „zusammensetzen“, basierend auf dem aktuellen Verhalten (z.B. betrachtete Produkte) und allen historischen Daten zu dieser Person. Keine hunderte oder tausende mühsam programmierte Regeln, um einen Dialog zu simulieren. Für einen anderen Besucher generiert das System möglicherweise einen anderen Chatbot mit speziellem Fokus, etwa auf technischen Support, falls das Verhalten darauf hindeutet. Viele dieser KI-Agenten können parallel existieren, jeder fokussiert auf einen spezifischen Aufgaben- oder Nutzungskontext (Produktempfehlung, Kundenservice, Onboarding, etc.).

Dadurch wird die Interaktion skalierbar personalisiert: Man hat nicht mehr nur ein starres Set von Journeys, sondern potenziell unendlich viele Varianten, die KI „on the fly“ erzeugen kann.

Wichtig ist, dass diese KI-Systeme immer auf die Daten der “System of Truth” zurückgreifen. Die Kontextbezogenen KI Agenten bauen also auf den verifizierten Daten auf und nutzen sie, um Inhalte im jeweiligen Kontext richtig zuzuschneiden. So entsteht ein mächtiges Zusammenspiel: Das “System of Context” (z.B. ein KI-gesteuerter Personalisierung Algorithmus) versteht, was ein bestimmter Kunde gerade braucht, und zieht relevantes Wissen aus CRM, CDP & Co., um im Moment X genau die passende Botschaft oder Aktion auszuspielen.

Ein weiteres spannendes Zukunftsszenario ist, dass Kundenseite und Unternehmensseite beide KI-Agenten einsetzen, die miteinander interagieren. Ein Kunde könnte in naher Zukunft seinen eigenen persönlichen KI-Assistenten nutzen, der für ihn mit den Unternehmens-KI-Systemen verhandelt. Das würde das Kräfteverhältnis weiter in Richtung Kunde verschieben, da diese Buyer Agents das Erlebnis komplett aus Kundensicht optimieren. Unternehmen müssen also sicherstellen, dass ihre Kontext-APIs offen und intelligent genug sind, um auch solchen externen KI-Agenten sinnvolle Antworten zu liefern.

Zusammengefasst bilden Systeme des Kontexts die agile und intelligente Schicht Ihres MarTech-Stacks. Sie sorgen dafür, dass aus den Daten reale Kundenerlebnisse werden – hochgradig personalisiert, kontext-sensitiv und KI-gestützt. Für Marketing- und Produktverantwortliche heißt das: Man sollte verstärkt in Technologien investieren, die Personalisierung, Automatismen und KI vereinen.

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Die MatTech-Architektur der Zukunft wandelt sich dadurch von einem starren Schichtenmodell zu einem flexiblen Netzwerk von integrierten Services. Zwar lässt sich ein Stack noch logisch darstellen (siehe Abb. System des Kontexts oberer Layer), doch in Realität kommunizieren die Komponenten vielseitig untereinander wie in einem Netzwerk. Jedes System kann über Schnittstellen und Middleware mit jedem anderen verbunden sein, um Daten oder Trigger auszutauschen. Die Systeme der Wahrheit bilden darin den zentralen Knotenpunkt, um den sich zahlreiche Systeme des Kontexts gruppieren.

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Für die IT-Architektur eines Unternehmens bedeutet das: Interoperabilität und Datenintegration sind erfolgskritisch. Ein Kontextsystem kann nur so gut sein wie die Daten, die es in dem Moment abrufen kann. 

Kurz gesagt, die Architektur eines MarTech-Stacks im GenAI-Zeitalter ähnelt eher einem organischen Ökosystem als einem starren Gebilde. Unternehmen sollten ein modulares, skalierbares Solution Design anstreben, bei dem neue KI-Komponenten leicht integriert und Daten reibungslos geteilt werden können. So stellt man sicher, dass Innovation nicht an Silos scheitert, sondern schnell im gesamten Stack Wirkung zeigt.

Exkurs: Kontext‑Engineering kurz erklärt

Kontext-Engineering entwirft Systeme, die steuern, welche Informationen ein KI-Modell vor einer Antwort sieht, statt nur einzelne Prompts zu formulieren. Es orchestriert Sytem Prompts bzw. Instructions, Gesprächsverlauf und Benutzerdaten, relevante Dokumente/DB‑Einträge, verfügbare Tools & APIs sowie gewünschte Ausgabeformate im Kontextfenster, damit pro Anfrage die relevantesten Details kompakt und geordnet vorliegen. 

Abgrenzung: Prompt‑Engineering optimiert die Formulierung für Einmal‑Aufgaben; Kontext‑Engineering baut Anwendungslogik für mehrschrittige, langlebige Workflows (z. B. Service‑Bots, Dokumentenanalyse, Coding‑Assistenten). Am wirkungsvollsten sind beide zusammen: starke Prompts auf sorgfältig kuratierten Kontext. 

In der Praxis: Typische Bausteine sind Retrieval-Augmented Generation (RAG - Abruf →Chunking →Ranking), KI‑Agenten mit Zugang zu Tools (ggf. über MCP (Model Context Protocol) Server) und Code‑Assistenten, die Projektstrukturen berücksichtigen.

Häufige Probleme die gutes Kontext Engineering löst:

Kontextvergiftung, wenn Fehler oder Halluzinationen im KI Kontext erscheinen.

Die ideale Strategie ist die Kontextüberprüfung und Quarantäne. Dabei werden verschiedene Kontextarten in separaten Threads isoliert, um Informationen zu prüfen, bevor sie ins Langzeitgedächtnis überführt werden. Kontext-Quarantäne bedeutet, dass bei potenziellen „Vergiftungen“ neue Threads gestartet werden. Dies verhindert, dass fehlerhafte Informationen zukünftige Interaktionen beeinflussen.

Kontextablenkung tritt auf, wenn der Kontext so umfangreich wird, dass sich das Modell zu stark auf die gesammelten Daten konzentriert, anstatt das aus dem Training Gelernte anzuwenden. Modelle neigen dazu, Inhalte aus dem Kontext zu wiederholen – laut Studien sogar schon, bevor das Kontextfenster vollständig ausgelastet ist.. (Studie von Databricks - LLM Performance

Fasse den Kontext zusammen, um ihn zu verkürzen. Das hilft, den Überblick zu behalten und unnötige Details zu vermeiden.

Kontextverwirrung passiert, wenn du zusätzliche Infos in den Kontext packst, die das Modell dann für falsche Antworten nutzt, auch wenn diese Infos für die aktuelle Aufgabe gar nicht wichtig sind. Passiert z.B. wenn ein falsches Tool vom KI Agenten herangezogen wird.

Die Lösung ist die Verwaltung der Tools für KI Agenten mit RAG-Techniken und das Einbinden von Tools über das Model-Context-Protocol (MCP).

Kontextkonflikt, wenn KI-Agenten auf widersprüchliche oder nicht zusammenpassende Aussagen zugreifen. Modelle neigen insbesondere dazu, wenn alles auf einmal, also in einem Prompt, bearbeitet wird. Also antwortet es, bevor es alle relevanten Informationen hat.

Die besten Lösungen sind das Bereinigen des Kontexts und das Auslagern von. Kontextbereinigung heißt, dass man alte oder widersprüchliche Infos löscht, wenn neue Details auftauchen. Kontext-Offloading oder ähnliche Ansätze.

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Fazit und Handlungsempfehlungen für Führungskräfte

Die Einführung eines “System of Context” im MarTech-Stack ist kein rein technisches Projekt, es ist eine strategische Neuausrichtung, die Führung auf mehreren Ebenen erfordert. Im Zeitalter generativer KI werden diejenigen Unternehmen erfolgreich sein, die Daten und KI intelligent verbinden, um kundenzentrierte, kontextuelle Experiences zu schaffen.

Das Modell von Scott Brinker dient als gute Orientierung und zeigt ein neues mögliches Modell aus zwei Layer, “System of Truth” und “System of Context”, wobei zweiteres kein technischer Layer ist. Wenn man sich überlegt, welche technischen Komponenten notwendig sind um KIs mit Kontext-Daten zu füttern, kann “System of Context” auch als Erweiterung des klassischen Modells “System of Records”, “System of Engagement” und “System of Intelligence” gesehen werden kann.

Es entstehen neue Disziplinen wie z.B. Kontext Engineering und Technologien wie Model-Context-Protocol (MCP), Agent-to-Agent-Protokoll (A2A), Retrieval-Augmented Generation (RAG), Agentic KI und Agentic RAG. Da viele dieser Disziplinen noch relativ jung sind, ist abzusehen, dass sich technologisch noch vieles ändern wird und ggf. neue Technologien schon auf dem Vormarsch sind.

Unabhängig vom Modell zum Abschluss einige Empfehlungen, wie Manager und andere Entscheider diesen Wandel gestalten können:

  • Datenqualität und Governance priorisieren: Legen Sie den Grundstein mit einer robusten “System of Truth” Datenschicht. Investieren Sie in Datenintegration, Berechtigungskonzepte, Bereinigung und einheitliche Datenstandards. Etablieren Sie klare Verantwortlichkeiten (Data Owner, Stewardship), damit die KI später auf vertrauliche und aktuelle Daten zugreifen kann. Eine zentrale Datenstrategie ist die Chefsache, denn sie bildet das Rückgrat aller KI-Aktivitäten.
  • KI-Kompetenzen und Ressourcen aufbauen: “Systeme of Context” erfordern neue Fähigkeiten und Technologien. Stellen Sie sicher, dass Data-Science- und KI-Kompetenz im oder für das Marketing-Team vorhanden sind. Erwägen Sie die Einrichtung eines bereichsübergreifenden KI-Steering-Komitees (mit Vertretern aus Marketing, IT, Produkt, Legal und Compliance), um den Einsatz von KI zu steuern und Best Practices zu teilen. So bleiben Datenschutz, Ethik und Brand Konsistenz auch bei KI-generierten Inhalten gewahrt.
  • Schrittweise starten und agile Experimente: Beginnen Sie mit fokussierten Pilotprojekten, um das Kontext-Prinzip zu erproben. Etwa ein KI-gestützter Assistent im Marketing Team oder eine personalisierte Produktempfehlungs-KI im Online-Shop. Messen Sie die Wirkung (z.B. Kundenzufriedenheit, Conversion-Lift, Interaktionsraten) und skalieren Sie erfolgreiche Ansätze dann breiter im Stack. Quick Wins helfen, intern Akzeptanz für größere Veränderungen zu schaffen. Vergessen Sie dabei nicht eine Go-To-Market-Strategie, damit es nicht beim POC oder Pilot bleibt.
  • Technologie-Stack modular erweitern: Überprüfen Sie Ihren bestehenden MarTech-Stack auf Integrationsfähigkeit. Können Ihre CRM- und Marketing-Tools Daten in Echtzeit teilen, bieten diese bereits MCP-Server an,  lassen sich externe KI-Dienste andocken? Setzen Sie bevorzugt auf API-first-Lösungen, die sich flexibel in das Kontext-System einfügen. Wichtig ist, dass neue KI-Module nahtlos mit Ihren Datenquellen und Kanälen sprechen.
  • Kundenzentrierung radikal denken: Nutzen Sie die Möglichkeiten von KI, um wirklich auf Augenhöhe mit dem Kunden zu kommunizieren. Weg vom Gießkannen-Marketing hin zu Tailored-Konversations-Marketing: Jede Interaktion, ob im Chat, per Mail oder auf der Website, sollte idealerweise den aktuellen Kontext des Kunden berücksichtigen. Fragen Sie sich: “Bieten wir dem Kunden gerade das, was er in diesem Moment braucht?”, “Wie kann ich das messen und laufend optimieren?” - Wenn Sie ein “System of Kontext” implementiert haben, können Sie diese Frage bereits mit Ja beantworten, denn Ihre KI-gestützten Touchpoints werden darauf trainiert sein, kontextrelevant und hilfreich zu sein.
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Abschließend lässt sich festhalten: Der MarTech-Stack der Zukunft basiert auf Kontext und Wahrheit. Daten sind das ‚Truth‘-Kapital, das ein Unternehmen unbedingt im Griff haben muss. Darum herum entfaltet sich mit KI ein Kontext-Ökosystem, das Marketing, Vertrieb und Service revolutioniert. Unternehmen, die diese Architektur frühzeitig adaptieren, werden Kunden mit besseren, relevanten Erfahrungen gewinnen und die interne Effizienz durch Automatisierung steigern. 

Die zentrale Herausforderung für Führungskräfte besteht darin, Technologie, Daten und Organisation in Einklang zu bringen. Gelingt dies, wird das “System of Context” zum Erfolgsfaktor in Ihrem MarTech-Stack der Zukunft.

Quellen: Die Konzeptideen zu Systems of Context und Systems of Truth stammen von Scott Brinker. Weitere Quellen und Inspiration umfassen branchenspezifische Analysen zur Rolle von KI im Marketing und aus eigenen Projekten mit Kunden.